Beurteilungskriterien bei Western Horses

Hardy Oelke: Beurteilungskriterien bei Western Horses

Die Gruppe der Western Horses besteht hauptsächlich aus den Rassen Quarter Horse, Paint Horse und Appaloosa Horse, wobei die beiden erstgenannten nahezu identisch sind. Appaloosas haben traditionell eine Reihe so genannter outcross breeds (Fremdrassen zur Einkreuzung) zugelassen, so dass diese Zucht weniger einheitlich ist. Rassen, wie z. B. der Missouri Foxtrotter oder das Morgan Horse, sind eigene Wege gegangen und nur bedingt unter die Westernpferderassen einzuordnen.

Das Quarter Horse die zahlenmäßig stärkste Pferderasse der Welt ist quasi der Prototyp des Westernpferdes. Die Zucht der Paint Horses wurde nur dadurch ins Leben gerufen und eigenständig, dass anfangs bei der American Quarter Horse Association keine Pferde eingetragen wurden, deren weiße Abzeichen über ein bestimmtes Maß hinausgingen. Diese Regel wurde in den letzten Jahren so geändert, dass im Grunde gar keine Notwendigkeit mehr für zwei getrennte Zuchtverbände besteht und diese nur noch aus Tradition eigenständig bleiben. Die Appaloosa-Zucht hat einen anderen Werdegang und ihren Anfang in den Pferden der Nez Percé-Indianer. Später wurde sehr viel Quarter Horse eingekreuzt, wie auch Vollblüter, Araber, Morgans und Traber –
Das Quarter Horse stellt heute keine Rasse mehr dar. Vielmehr sind die meisten der unter dem Dach der American Quarter Horse Association betreuten Pferde in Spezialzuchten aufgegliedert, die sich zum Teil so sehr voneinander unterscheiden, dass sie eigentlich als separate Rassen betrachtet werden sollten. Ähnliches gilt für bei der American Paint Horse Association eingetragene Pferde. Die Appaloosas waren wegen der erwähnten Einkreuzungen sowieso nie uniform.
Die stärksten Abweichungen vom ursprünglichen Rassetyp finden sich in der Zucht von Pferden für die Klassen Western Pleasure und besonders die so genannten Hunter-Klassen. Die Pferde sind dort höher, was in erster Linie längeren Beinen zuzuschreiben ist, und stehen dem eigentlichen Rassetyp diametral gegenüber sie sind flach, schmalbrüstig und schwach bemuskelt (Hinterhand!). Richtige Hunter, also normale Warmblüter, sind die reinsten Panzer dagegen.
Cutting-Pferde sind oft größenmäßig am unteren Ende der Skala und leichter als der Durchschnitt, Roping-Pferde sind meistens recht groß und nicht selten etwas grob, Halter-Pferde sind ebenfalls meistens groß, aber dabei von ungesund feinem Fundament. Pferde für die timed events (Bewerbe gegen die Uhr, wie barrel racing oder pole bending usw.) haben meistens einen hohen Vollblutanteil und sehen dementsprechend aus, was noch mehr für die Quarter Racing Horses gilt. Am ehesten findet man noch unter Reining- und Ranch-Pferden solche vom eigentlichen Rassetyp.
Hier soll also das typische Quarter Horse oder Western Horse beschrieben werden, wie es ursprünglich bekannt und beliebt war. Wären die amerikanischen Verbände wie Zuchtverbände nach deutschem oder europäischem Muster organisiert, mit einer qualifizierten Zuchtleitung, so wäre der Rassetyp erhalten geblieben. Diese Verbände verwalten aber nur die Aktivitäten ihrer Mitglieder und versuchen, ihnen dafür die geeigneten Plattformen anzubieten. So ist die Zucht der eigentlichen Quarter Horses sozusagen abgedrängt worden und wird noch von einigen Idealisten betrieben. Schon gibt es Vereinigungen für die „Foundation Quarter Horse“ genannten Pferde, die eigentlichen Quarter Horses, im Gegensatz zu Pferden mit hohem Vollblutanteil bzw. zu solchen, die auf atypische Merkmale selektiert wurden.
Das Quarter Horse ist zwar ein Allround-Pferd, jedoch vornehmlich ein Reitpferd, darum werden dieselben Kriterien angelegt wie bei anderen Reitpferderassen. Ein schlanker, gut aufgesetzter Hals mit leichtem Genick ist immer von Vorteil und wird darum auch beim Westernpferd gewünscht, ebenso wie eine schräge Schulter, eine gute Sattel- und Gurtlage, Gurttiefe, eine schräge Kruppe, ein korrektes Fundament und korrekte, fördernde Bewegungen.
Was das Quarter Horse und damit das Western Horse von anderen Rassen unterscheidet: Einmal der Kopf, der im Profil gerade und insgesamt keilförmig ist, mit breiter Stirn, kleinen Ohren, gutem Auge und kleiner, feiner und fester Maulpartie. Auf der Stirn und an den Ganaschen zeigt sich schon die besondere Eigenheit dieser Pferde: die sehr ausgeprägte Bemuskelung.
Es gibt keine andere Pferderasse mit so starker Bemuskelung. Sie tritt besonders an der Hinterhand in Erscheinung, weiters an der Brust und den Oberarmen und auch an den Unterarmen und vor allem an der Behosung der Hinterbeine. Die Bemuskelung der Kruppe lässt diese oft höher aussehen als den Widerrist und gibt so das Bild eines überbauten Pferdes, selbst wenn diese vom Skelett her gleich hoch sind. Von hinten betrachtet ist die Knie-Oberschenkel-Bemuskelung (Englisch: stifles) die breiteste Stelle des Pferdes. Ein Vergleich mit Kaltblütern zeigt, dass bei diesen gewöhnlich die Hüftknochen die breiteste Stelle des Pferdes ausmachen und die stifle-Bemuskelung schmäler oder höchstens genauso breit ist. Auch ist die für Kaltblüter typische, gespaltene Kruppe bei Western Horses atypisch und unerwünscht.
Das typische Western Horse ist tief, rumpfig und relativ kurzbeinig. Die kürzere Beinlänge beruht zum Teil auf kurzen Röhren, die wiederum flache Gänge ohne Knieaktion bedingen. Als Faustregel gilt, dass die Gurttiefe etwa der Distanz vom Brustbein bis zum Boden entsprechen soll, höchstens aber bis zu den Fesseln. Dieses Gebäude bedingt einen tiefen Schwerpunkt, der für die typischen Einsatzbereiche wünschenswert ist, in denen diese Pferde arbeiten. Die kurzen Röhren und der dadurch bedingte tiefe Schwerpunkt sind auch ein Faktor für die besondere Wendigkeit, welche diese Pferde haben und haben sollen.
Das Quarter Horse ist ein kleines bis mittelgroßes Pferd. Der Rassestandard schreibt mindestens 1,42 m Stockmaß vor, die meisten sind aber größer; es gibt kein Limit nach oben, aber Pferde über etwa 1,58 m sind nur selten rassetypisch.
Beim Westernpferd wird dessen Balance bewertet, indem man sich ein gleichmäßiges Trapez vorstellt, gebildet durch die Linien der Schulter, des Rückens, der Kruppe und der Unterlinie. Schulter, Rücken und Kruppe (hier Hüfthöcker bis Sitzbeinhöcker) sollen möglichst gleich lang sein und Schulter und Hüfte dieselbe Winkelung (nur entgegengesetzt) haben. Auch der Hals sollte dieser Länge ungefähr entsprechen. Die Fesselung sollte in der Winkelung jener der Schulter entsprechen.
Im Vergleich zu Westernpferden haben europäische Warmblüter einen längeren Hals und „mehr Vorhand“; das Western Horse fällt durch eine stärkere Hinterhand auf. Besonders iberische Pferde tendieren zu einem kräftigeren, stärker gebogenen Hals mit mehr Aufsatz. Dagegen hat das Western Horse einen vergleichsweise geraden und schlanken Hals, der aber durchaus gut geformt ist und etwa in jenem Winkel aus der Schulter kommt, wie ihn auch die Hüfte aufweist.
Allgemein kann man auch sagen, dass das Westernpferd von Natur aus mehr unter sich steht als z. B. Warmblüter und dass es sich durch eine gute Selbsthaltung auszeichnet. Es läuft nicht auseinandergefallen daher und muss nicht erst durch reiterliche Einwirkung zusammengestellt werden.
An Schwachpunkten in den Western-Horse-Zuchten sind zu nennen, dass man lange zu wenig Wert auf ein korrektes Fundament gelegt hat und Fehlstellungen darum häufig anzutreffen sind, ebenso sind Hufrollenprobleme durchaus nicht selten. Letztere kann man nicht von außen erkennen. Bei nicht wenigen Quarter Horses findet sich ein Missverhältnis zwischen der Masse des Rumpfes und der Knochenstärke der Gliedmaßen und der Größe der Hufe. Die Hufe sind nicht nur häufig zu klein, sondern oftmals auch nicht gut geformt. Weitere Negativpunkte können sein, dass die Pferde eine Tendenz zeigen, überbaut zu sein, was oft mit einem zu wenig ausgeprägten Widerrist einhergeht. Auch das alte Western Horse früherer Tage (der bulldog type) hatte schon gute Individuen, die sich durch gut ausgeprägte Widerriste und schöne Balance auszeichneten, aber dies sind die Bereiche, in denen züchterisch noch Raum für Verbesserungen besteht.
Über die reine Konformation das Exterieur hinaus zeichnet sich das Quarter Horse durch ein sehr kooperatives und unkompliziertes Wesen aus. Neulinge im Westernpferdebereich sind oft verblüfft darüber, wie sehr sich die Pferde anbieten und wie leichtrittig sie sind. Das Wesen ist natürlich von außen schwer zu beurteilen, wenn man nicht wenigstens eine Zeit mit dem Pferd arbeiten kann, aber es muss einfach gesagt werden, dass ein gutes Westernpferd problemlos zu handhaben ist.
Der cow sense, der „Rinderverstand“, die Neigung zur Rinderarbeit ist vielen Westernpferden angeboren, aber nicht allen. Die speziell für das Cutting gezüchteten Westernpferde sind in ihren Fähigkeiten und Eigenschaften einzigartig.
Die Bewegungen des Westernpferdes sollen komfortabel sein. Auf einen starken Trab sind sie nicht gezüchtet, der hat im Bereich des Westernreitens keinen Platz. Ein gutes Westernpferd hat dafür einen weichen Jog (Arbeitstrab), der nur wenig schneller als der Schritt ist und den es stundenlang gehen kann; er ist für den Reiter ausgesprochen bequem. Das Galoppvermögen ist wichtig, und der Galopp eines guten Westernpferdes ist ebenso fördernd wie angenehm zu sitzen. Ein gutes Westernpferd ist auch in der Lage, zu „explodieren“ und mit zwei, drei Sprüngen seine Höchstgeschwindigkeit zu erreichen, eine Fähigkeit, die bei der Rinderarbeit große Bedeutung hat.
Einige typische Westernpferdrassen: Quarter Horse; Paint Horse; Appaloosa; Canadian Cutting Horse; Palomino und Pinto (Farbrassen); Criollo und u. U. Mestizo; alle Mustang-Varianten; evtl. auch Morgans und kleine Spezialrassen wie Florida Cracker; Seminole; Chickasaw Pony; Spanish Barb; Galiceno und Mexikanisches Ranchpferd; Azteke.
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