DER WALD AUS SICHT DES IMKERS

Für den Imker ist der Wald kein bloßes Naturidyll – er ist ein anspruchsvoller, aber lohnender Partner. Die sogenannte Waldtracht verlangt Wissen, Geduld und ein feines Gespür für ökologische Zusammenhänge. Anders als bei Blütentrachten sind es im Wald vor allem Honigtauspender wie Fichtenläuse, die den Bienen Nektar ersetzen – ein Phänomen, das sich oft nur mit geübtem Auge und langjähriger Erfahrung deuten lässt. Der Imker beobachtet die Zeichen des Waldes: das Verhalten der Bäume, das Summen in der Luft, den Glanz des Honigtaus auf den Nadeln. Er kennt die stillen Rhythmen dieses einzigartigen Lebensraums und weiß, wann sich das Warten lohnt.

Der Wald als großes Ökosystem bietet den Imkern seit je her eine vielfältige und wichtige Bienenweide und ist daher der wichtigste Honiglieferant. So bietet der Wald in phänologischer Abfolge von der Boden-, Kraut-, Strauch- bis zur obersten Baumschicht eine Art Trachtfließband. Bodendeckender Flor, heckenbildende Sträucher oder Waldsäume sind wichtige Impulsgeber für den Bien. Sind es im Frühjahr oft Pollen und nektarspendende Pflanzen, die dominieren, so geraten im Früh- und Hochsommer die Honigtauerzeuger der Baumschicht in den Mittelpunkt.

Früher waren die sogenannten Zeidler die ersten Waldimker, welche in ursprünglicher Art und Weise Imkerei betrieben haben. Zeidler waren verpflichtet, den Wald zu beaufsichtigen, zu hegen und zu pflegen. Sie waren in der Zeidler-Innung organisiert und genossen dadurch besondere Rechte und Pflichten. Grundstein für diese Art von Imkerorganisation legte Karl der Große um das Jahr 800 n. Christi. Die Imkerei zu dieser Zeit war nur Angehörigen der Zeidler-Innung gestattet, es war sonst keinem erlaubt, der Imkerei in den Wäldern nachzugehen. Diese erstmals organisierte Form der Waldimkerei entstand in Süddeutschland und hielt sich bis in die Neuzeit hinein (Quelle: Bienenbotschaft, 2024).

Heute obliegt es sowohl den Standortimkern in Waldnähe als auch den Wanderimkern, in den Wald zu gehen, um die „Zeichen“ des Waldes zu beobachten, zu erkennen und dann entsprechend zu reagieren.

Etwas provokant lautet ein Satz aus der Waldimkerei: „Der dumme Imker fährt in den Wald, der kluge Imker geht vorher in den Wald!“

Aus dem Buch:

Cover des E-Books 'Waldtracht von Fichte und Tanne' mit einem Wald. Unten drei Kreise mit zwei Abbildungen von Insekten und einem Honigglas

ISBN 978-3-7020-2259-4
Peter Buchner
WALDTRACHT VON FICHTE UND TANNE
Wegweiser vom Honigtau zum Waldhonig
144 Seiten, zahlr. Farbabb., 16,5 x 22 cm, Hardcover
€ 26,00

Kaum jemand weiß, dass Waldhonig nicht aus dem „Nektar“ der Bäume gebildet wird, sondern von Läusen, die auf den Nadelbäumen leben und sich von den Säften in der Rinde des Baumes ernähren. Sie scheiden dann den so genannten Honigtau aus, den die Bienen sammeln und als Nahrung in den Waben einlagern. Wanderlehrer Peter Buchner gibt sein Wissen in diesem einzigartigen Buch an alle Imker weiter. Er stellt alle „Honigläuse“ und ihr Leben vor und erklärt den Imkern, wie sie diese Möglichkeit, Waldhonig zu gewinnen, für sich nützen können.