Distanzpferde

Lady Marguerita Fuller: Distanzpferde gewinnen mit dem Kopf

Der Distanzsport, eine der ältesten Pferdesportarten überhaupt, hat sich in den letzten Jahren rasant weiterentwickelt und dementsprechend sind auch die Anforderungen an den Partner Pferd noch höher geworden. Distanzen bis 80 km oder auch 120 km sind von ziemlich vielen Pferden bei richtigem Aufbau gut zu meistern. Hier würde ich als wichtigste Voraussetzung gesunden Vorwärtsdrang und harte Beine nennen, ein guter Grundpuls ist sicher auch von Vorteil. Auf der internationalen Championatsdistanz von 160 km (100 Meilen) jedoch trennt sich die Spreu vom Weizen, hier treten jede Schwäche, jeder Trainingsfehler, jeder Mangel in der Ausrüstung usw. unbarmherzig zutage. Auch das Hirn und die Vernunft des Reiters sind stark gefordert. Die richtige Taktik und die vollkommene Kenntnis der Stärken und Schwächen des eigenen Pferdes sind unabdingbar. Nun aber zu den Voraussetzungen, die meiner Meinung nach ein gutes 100-Meilen-Pferd ausmachen. Hier würde ich als wichtigste vier Grundeigenschaften nennen:

Lauffreude und der Wille, für den Reiter zu kämpfen; dies erfordert natürlich zwingend ein enges Verhältnis zu diesem.
Harte Beine, die durch gezielten Aufbau weiter abgehärtet werden können. Meiner Erfahrung nach sind starke Sehnen auch belastbarer als zarte, ich stelle mir dabei immer vor, dass ein dicker Strick nicht so schnell reißt wie ein dünner.
Guter Metabolismus es gibt Pferde, die von Natur aus bereits ohne viel Training entsprechend schnelle Regenerationszeiten haben bzw. einen Ruhepuls von 26 Schlägen. Dies bringt im Bewerb einen enormen Vorteil: Die Reitzeit läuft so lange weiter, bis der Puls 64 Schläge erreicht hat, dazu hat man maximal 20 Minuten Zeit, ansonsten ist man nicht für die nächste Runde qualifiziert. Gute Erfahrungen hat man diesbezüglich mit Arabern von der Rennbahn gemacht, die drei- und vierjährig Rennen gelaufen sind dies scheint sich auch in einer besseren Regenerationszeit niederzuschlagen und ein optimales Grundtraining zu sein, sofern vernünftig ausgeführt.
Leichte Galoppade heute wird aufgrund der höheren Geschwindigkeiten hauptsächlich im Galopp geritten. Auch der Trab sollte eher wenig Aktion haben, relativ flache, kurze Tritte sind schonender und, wie ich an meinen Arabern sehe, auch schneller. Im direkten Vergleich ist z. B. mein Araber Komet im Trab mit seinen eher kurzen Tritten dem viel größeren Achal-Tekkiner Kalacsnyikov deutlich überlegen dessen Stärke dafür eine unglaubliche Härte auf den unterschiedlichsten Böden ist.
Optimal ist ein eher quadratischer Körperbau, nicht zu groß, kurze Fesselung und eine schräge Kruppe. Hier bestätigen aber wirklich zahlreiche Ausnahmen die Regel siehe George Washington, ein Halbblüter von über 170 cm Stockmaß, der zahlreiche 100-Meiler gewann. Sicher ist ein korrekter Körperbau von Vorteil, aber ich kenne viele Distanzpferde, deren Gebäude nicht perfekt ist und die trotzdem erfolgreich 160 km laufen. Auch meine eigenen drei 100-Meilen-Pferde sind bei Weitem nicht korrekt nach dem Lehrbuch gebaut. Wichtig hingegen ist die korrekte Bemuskelung ein Distanzpferd sollte lange, flache Muskeln haben, anders als z. B. ein Sprinter, der kräftige, kurze Muskeln hat. Dies deshalb, weil starke „Bodybuildermuskeln“ deutlich mehr Sauerstoff zur Versorgung benötigen, was auf langer Strecke schnell zur Übersäuerung führt.
Eindeutig im Vorteil auf der langen Strecke sind alle Pferde mit arabischem Blut, sei es Vollblutaraber, Shagya oder Partbred. Auf bergigen Strecken haben sich auch Kabardiner bewährt und sind hier sogar den Arabern überlegen. Meinen Kabardiner R. R. Mungo würde ich als das ideale Distanzpferd bezeichnen, wäre da nicht die heute nötige Grundgeschwindigkeit (zu seiner Zeit waren noch 10 km/h Mindestgeschwindigkeit erforderlich, heute sind es 12 oder sogar 14 km/h) und seine schlechte Hitzeverträglichkeit.
Der Achal-Tekkiner bringt hervorragende Voraussetzungen mit, und es gibt trotz sehr weniger Züchter doch auch einige davon auf der langen Strecke. Wie bereits erwähnt, sind diese Pferde an Härte kaum zu überbieten. Mental stellen sie den Reiter aber vor eine große Aufgabe und sind eher problematisch für Anfänger.
Wie bereits erwähnt, muss ein Distanzpferd vor allem über Laufwillen verfügen. Ein träges Pferd wird spätestens bei den ersten Ermüdungserscheinungen einfach stehen bleiben. Man kann kein Pferd zwingen, 160 km zu laufen weder die Pulswerte noch die Darmgeräusche oder der Metabolismus lassen sich erzwingen.
Auch ein lauffreudiges Pferd wird irgendwann genug haben (vor allem wenn man alleine unterwegs ist). Hier ist die Beziehung zum Partner Pferd enorm wichtig gemeinsam bekommt man wieder Biss und den so genannten zweiten Wind die letzte Runde sollte dann wieder mit neuer Energie, das Ziel schon vor Augen, gemeistert werden. Und wie sollte man ein Pferd nach 160 km Strecke zu einem Finish (Wettrennen um den Sieg, wenn zwei zugleich in Zielnähe sind) auffordern, wenn man nicht eine gute Beziehung zu ihm hat? Hier sei auch bemerkt, dass Gerte und Sporen bei internationalen Distanzrennen verboten sind!
Aber gerade gemeinsam mit dem Pferd zu kämpfen und über sich hinauszuwachsen, macht meinen Sport so faszinierend! Außerdem lernt man nirgends besser als hier, dass ein Pferd mit seinen Beinen läuft, mit Herz und Lunge durchhält, aber mit seinem Kopf gewinnt.

Einige typische Distanzpferderassen: Araber (in allen Abstufungen der Reinrassigkeit); Turkmenen und Achal-Tekkiner; Anglo-Kabardiner und Karabagh; Traber und hochblütige, leichte Sportpferde, wie z. B. Trakehner; Criollos und Mestizos; evtl. Huzulen, Bosniaken. Alles was Reiter, Züchter und Käufer zum Thema Pferdebeurteilung wissen müssen, findet sich kompakt und übersichtlich dargestellt im Buch „Pferde richtig beurteilen. Praktisches Wissen für Reiter, Züchter, Käufer -“ von Martin Haller.
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