Rennpferde – Athleten mit Charaktere

Heinrich Lazarini: Rennpferde – Athleten mit Charaktere

Zu Rennpferden beider Sparten Galopp- und Trabrennsport ist zu sagen, dass sie in erster Linie ein Zuchtkriterium erfüllen müssen, und das ist die Schnelligkeit. Andere Kriterien, wie gutes Wesen, stabile Gesundheit oder besondere Rittigkeit bzw. Zugeignung, sind züchterisch sekundär und ergeben sich bis zu einem gewissen Grad von selbst.
Die Pferde werden im Gestüt und auf der Bahn professionell gehalten, versorgt und geritten bzw. gefahren, was manche Schwachpunkte oder Probleme überdeckt. Daraus folgt, dass Rennpferde außerhalb des Rennsports häufig den Ruf haben, schwierig in Haltung, Umgang und Gebrauch zu sein. Es ist eine Tatsache, dass ein Rennpferd, das direkt von der Rennbahn kommt und einer neuen sportlichen Verwendung zugeführt wird, recht hohe Anforderungen an das Horsemanship seines neuen Besitzers stellt. Die Umstellung muss langsam erfolgen, mit viel Gefühl für das einzelne Tier und seine Eigenheiten. Es ist empfehlenswert, langsam umzustellen und eventuell sogar schon auf der Bahn damit zu beginnen. Man muss das Kraftfutter meist etwas reduzieren, denn Spitzenleistungen sind ja nicht mehr erwünscht, dennoch liegt der Bedarf bei etwa 1,5 Mal der Menge für andere Rassen. Die Heumenge sollte langsam gesteigert werden, bis sie die Normalmenge von ca. eineinhalb Kilo pro 100 Kilo Körpergewicht erreicht; viele aktive Rennpferde leiden an Magengeschwüren, ihnen hilft eine normale Heufütterung mit langer Fresszeit bei der Heilung.
Die Bewegung sollte, wenn irgend möglich, vom rein auf Schnelligkeit ausgerichteten Sporttraining zu einem eher auf entspanntes, langsames Reiten bzw. Fahren ausgelegten „Arbeiten mit Kopf“ umgestellt werden. Es ist sehr wichtig, das Tier in einen entspannten und zufriedenen Zustand zu bringen und es nicht weiter zu stressen oder zu schnell mit völlig neuen Anforderungen zu überfallen. Geduld zahlt sich meistens aus; scharfes Durchgreifen bei Schreckreaktionen oder Ausbildungsproblemen behindert beim sensiblen Vollblut meistens die Vertrauensbildung. Hat man aber sein Vertrauen errungen, dann findet man im Vollblutpferd einen verlässlichen und jederzeit leistungsbereiten Partner. Großkalibrige Galopper sind ausgezeichnete Vielseitigkeitspferde; Traber können besonders als Distanzrennpferde oder vor der Kutsche große Leistungen erbringen.
Ein gutes Rennpferd ist vor allem hart, es steckt körperliche und nervliche Belastungen schadlos weg und gedeiht sogar im Training das gilt für beide Sparten. Allzu sensible und launische Tiere sind jedoch schwer zu trainieren und noch schwerer umzustellen. Soll ein Rennpferd in den Freizeitsport gehen, so ist seine Gesundheit wichtig; zu schwere Beinschäden sind bedenklich, allerdings kann bei leichten Verschleißerscheinungen ein Auge zugedrückt werden, wenn die zukünftige Belastung deutlich geringer bleibt als im Rennen. Soll das Pferd aber in den Spitzensport, was eher selten vorkommt, dann sollte es ganz gesund sein. Bei Trabern sind es oft Knochen- bzw. Gelenksprobleme, bei den Galoppern eher Sehnen- oder Bänderschäden eine Ankaufsuntersuchung ist daher ratsam.
Beim Rennpferd wird größter Wert auf die Abstammung, das Pedigree gelegt; die Züchter und Trainer schließen aus langer Erfahrung von den Vorfahren auf die mögliche Leistung des jungen Pferdes. Für den Freizeitreiter ist das in der Regel völlig egal, weil er, wie man sagt, nicht auf dem „Papier reitet“. Wer sich gut auskennt oder einen erfahrenen Berater hat, der kann manchmal auf den Charakter schließen, weil es eher schwierige und weniger lebhafte Linien gibt.
Viele Galopper und Traber sind ausgesprochen intelligente, lernfreudige und gutmütige Pferde, die in ihrem „zweiten Leben“ gerne mit Kindern arbeiten oder entspannte Ausritte oder Ausfahrten machen. Man darf aber ihre schnellen Reaktionen und ihr Tempo nicht unterschätzen, sie können auch als rundliche Freizeitkameraden noch immer schneller rennen als jedes Warmblut.
Spitzensportler sind oft sensible Wesen, denn ihre Reizschwelle muss ja niedrig sein; Schlafhauben sind selten erfolgreich. Das nennt man den Rennkopf, der allerdings auch Siegeswillen, Härte und Persönlichkeit umfasst. Das sind Eigenschaften, die am Freizeitsektor weniger erwünscht sind und viel Feingefühl verlangen, um sie erfolgreich kanalisieren zu können.
Alle Rennpferde sind recht feingliedrige, muskulöse Athleten. Sie können und sollen, wie jedes andere Pferd auch, rund ums Jahr zumindest tagsüber im Freien sein. Das tut ihrer Gesundheit und ihren Nerven nur gut; allerdings brauchen sie gutes Futter, gute Pflege und eine verständige Hand kurzum, sie müssen sich wohlfühlen. Vernachlässigt leiden sie unter harten Bedingungen vermutlich mehr als ein Robustpferd oder ein Kaltblut.
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